AmCham Talks - Januar 2022
Date

Jan 28 2022

Time

09:00

Location

Virtuell

„Nationale Datenstrategie notwendig“

Tobias Thomas, Generaldirektor Statistik Austria

Rückblick:

AmCham Talk mit Tobias Thomas über Österreichs Performance während der Corona-Krise

Im Rahmen des AmCham Talks der Amerikanischen Handelskammer in Österreich, der am Freitag den 28. November virtuell ausgetragen wurde, sprach der Generaldirektor der Statistik Austria Prof. Dr. Tobias Thomas über die Performance Österreichs während der Corona-Krise in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Daten. „Das BIP ist so stark gesunken wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Wirtschaft hat sich seither in vielen Bereichen erholt, doch einige Sektoren spüren die Krise noch beträchtlich“, fasst Thomas zusammen. Was die Datenlage betrifft, sieht er in Österreich Verbesserungsbedarf. „Die Entwicklung einer nationalen Datenstrategie wäre höchst an der Zeit“, unterstreicht Thomas.

Inzidenz bei geimpfter Bevölkerung signifikant geringer

Die Zahlen zeigen: Die Omikron-Welle ist mit einer 7-Tage-Inzidenz von aktuell über 2.000 die größte, die es in Österreich bisher gab. Thomas sagt: „Besonders an dieser Welle ist jedoch, dass sich die Spitalsauslastung trotz hoher Infektionszahlen nicht in einem kritischen Bereich befindet. Vor allem die Belegung der Intensivstationen ist zurzeit stabil.“

Interessant ist der Blick auf die 7-Tage-Inzidenz der 18- bis 59-jährigen Bevölkerung, aufgeschlüsselt nach Immunschutz: Er zeigt, dass die Inzidenz bei Menschen ohne Impfung oder Genesung zuletzt bei mehr als 5.000 lag. Bei vollständig Geimpften lag sie in dieser Altersgruppe bei 1.000. EU-weit liegt die Durchimpfungsrate in Österreich im Mittelfeld: 75,7 Prozent haben hierzulande zumindest eine Teilimpfung erhalten.

Impfquote abhängig von Erwerbsstatus und Ausbildung

Interessant ist auch der Zusammenhang zwischen Erwerbsstatus und Bildungsstand und der Impfquote: In der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung ist die Impfquote bei Erwerbstätigen höher als bei nicht Erwerbstätigen. Bei Ersteren ist die Impfquote besser, je höher die höchste abgeschlossene Ausbildung ist. Am größten sind die Unterschiede bei der jungen Bevölkerung von 25 bis 29 Jahren. In dieser Gruppe sind 75 Prozent aller Erwerbstätigen geimpft, im Vergleich zu 63 Prozent bei den nicht Erwerbstätigen. Bei den erwerbstätigen Hochschulabsolventen zwischen 25 und 29 Jahren liegt die Impfquote bei 88 Prozent, im Vergleich zu 66 Prozent bei den Erwerbstätigen mit maximal einem Pflichtschulabschluss.

Österreichs Wirtschaftszahlen erholt, aber nicht alle Sektoren profitieren

Im zweiten Quartal 2020 sank das BIP in Österreich um 13,5 Prozent. Das ist der größte BIP-Einbruch hierzulande seit dem Zweiten Weltkrieg. Bemerkenswert für Thomas ist die rasche Erholung der Wirtschaft. „Bereits im dritten Quartal 2021 lag das BIP in Österreich wieder über dem Vorkrisenniveau.“ Der Generaldirektor der Statistik Austria weist jedoch darauf hin, dass die Erholung sich nicht in allen Sektoren widerspiegelt. Während die Bereiche Finanzen, Energie und Produktion florieren, leiden andere Sektoren noch immer an den Auswirkungen der Krise.

Stark betroffen sind nach wie vor Gastronomie und Tourismus. „Seit 2019 hat sich der Tourismus in Österreich gemessen an den Nächtigungen nahezu halbiert“, sagt Thomas. 152,7 Millionen Übernachtungen 2019 stehen 79,6 Millionen Übernachtungen 2021 gegenüber. Noch stärker ist der Einbruch bei Touristen aus den USA: Vier von fünf Touristen aus USA blieben 2021 aus.

Erholt hat sich hingegen der Arbeitsmarkt. „Die Beschäftigung liegt über dem Vorkrisenniveau. Stellenangebote deuten sogar auf einen wachsenden Fachkräftemangel hin“, sagt Thomas.

Österreich vor großen Herausforderungen

Thomas sprach mehrere Herausforderungen an, denen sich Österreich künftig widmen müsse. Die Schuldenquote hat sich wegen und während der Corona-Krise stark erhöht. Zuvor war die Schuldenquote seit 2016 jedes Jahr rückläufig. Auch sei der Trend zu niedrigen Inflationsraten gestoppt. „Vor allem Energie- und Kraftstoffpreise treiben die Inflationsrate an“, sagt Thomas.

Zudem habe die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig Daten seien, um gute Entscheidungen zu treffen. Für die Datenlage in Österreich sieht Thomas „Luft nach oben“. Zum einen habe die Corona-Krise Wissenschaftler und ihre Arbeit in den Fokus gerückt und den Wunsch nach evidenzbasierter Politikgestaltung stärker werden lassen, andererseits gebe es einen Mangel an zugänglichen und verknüpfbaren Daten sowie inkonsistente Statistiken von verschiedenen Stellen. Als Beispiel führt Thomas die Zahl der Corona-Genesenen vom 20. April 2021 an. Die AGES zählte 541.283, das Gesundheitsministerium 560.492 Genesene. „Mit einer besseren Datenlage lassen sich nicht nur Krisen besser managen, sondern auch die Resilienzen erhöhen.“ Die digitale Revolution bietet neue Möglichkeiten, allerdings bedeuten mehr Daten nicht zwangsläufig mehr Informationen. Um den Datenschatz künftig besser nutzen zu können, empfiehlt Thomas die Entwicklung einer nationalen Datenstrategie. Als Beispiele nennt er die europäische Datenstrategie der EU und die nationalen Datenstrategien in Großbritannien und der Schweiz.